Exkurs: Klimakrise und ihre Fakten

Die Klimakrise ist nicht mehr zu leugnen. Wir müssen uns ihr strukturiert und lösungsorientiert stellen. Offenheit für Veränderung und die Abkehr von Komfortzonen sind zwingend erforderlich. Innovationsorientiertes Denken und (Digitale) Bildung können Schlüssel zur Problemlösung sein.

Vorausschicken möchten wir als BvDB Folgendes:
Wir sehen uns keinem politischen Lager zugeordnet. Uns ist es wichtig, Probleme faktenorientiert zu erkennen und sowohl naturwissenschaftlich / technisch als auch unternehmerisch zu lösen.

Nach Sichtung der wissenschaftlichen Ergebnisse sind wir persönlich überzeugt davon, dass wir nur noch wenige Jahre haben, um den Klimawandel auf einem für uns überlebensfähigen Niveau zu halten. Wenn wir nicht handeln und unser Lebensmodell bis hin zum Wirtschaftssystem endlich energieneutral aufstellen, wird uns die Kipp-Geschwindigkeit unseres Ökosystems negativ überraschen und letztlich überrollen.

Dabei ist die Klimaveränderung aufgrund ihrer schleichenden Form geradezu perfide, da sie als Individuum in ihrem globalen Ausmaß kaum zu erfassen und zugleich gravierender ist, als alle menschgemachten Krisen zuvor.

“Aber weil diese Prozesse Jahrzehnte dauern und sich erst nur in stetig verschärfenden lokalen und regionalen Problemen zeigen, werden sie zunächst von vielen nicht als Symptome eines globalen Trends akzeptiert.

Daher werden viele Menschen auch weiterhin irrtümlich glauben, dass sie glimpflich davonkommen werden, weil es zuerst nur andere woanders trifft.”
(Kommentar aus Zeit-Forum)

Um es zugespitzt zu formulieren:
Wir als BvDB fürchten, es geht schon längst um das Überleben unserer Spezies… ohne, dass wir es so richtig begreifen.

Die Chance, zu Zeiten des relativen Wohlstands auf die Veränderungen positiv einzuwirken, muss nun unbedingt genutzt werden, um das alte Gleichgewicht halbwegs wiederherzustellen. Die Schäden am Ökosystem werden durch die zeitliche Divergenz zwischen Ursache und Wirkung bereits jetzt immens sein und unterschätzt. Aber wir sollten nichts unversucht lassen, um zu retten, was zu retten ist!

Wir dürfen notwendige Reformen nicht mehr aus Rücksicht auf ökonomische Einzelinteressen verhindern, wenn sie für unsere Zukunft unerlässlich sind. In gewisser Weise haben wir als Industrienation und Exportweltmeister von Investitionsgütern, die ihrerseits häufig auf Verbrennungstechnologien basieren und in der weltweiten Produktion oder in der Mobilität Einsatz finden, eine moralische Verpflichtung, unsere Industrie samt Produkte auf Intelligenz (IoT, AI, Robotik) und Nachhaltigkeit auszurichten. Damit ist mehr erreicht, als mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen.

Es wäre im höchsten Maße primitiv, die Zeichen der Zeit weiter zu ignorieren und wie ein Frosch im kochenden Wasser auf unser Ende zu warten, nur um kurzfristig Komfortzonen nicht zu verlieren!

Dies vorausgeschickt wird aus unserer Sicht weder der Wissenschaft genug zugehört, noch wird entsprechend politisch gehandelt. Das ist nicht nur mit Blick auf unsere Kinder absolut unfair… es wird uns als die „vielzitierten Dichter, Denker und Ingenieure“ auch nicht gerecht.

Wir brauchen endlich wieder mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Wissenschaft und Technik, gegenüber Problemlösungen und Großprojekten. Wir hören noch heute Menschen begeistert über den Boom der 1950/1960er Jahre sprechen. Dass die Menschen früher aus dem Nichts ein Wirtschaftswunder vollbracht haben. Da stellt sich uns heute die Frage: Warum verharren wir in alten Strukturen und Mustern, während uns die nachhaltige Erneuerung nicht nur neue Möglichkeiten, sondern sogar noch ein besseres Leben (Luftqualität, Gesundheit, Lebenszeit usw.) bescheren?

Das politische Abwarten bis zum minimalistischen Konsens mag zwar in innenpolitischen Sachthemen, wie z. B. im Bildungs-, Steuer-, Sicherheits-, Migrations- und Sozialsystem oder in der Infrastruktur (Verkehr, Digitalisierung etc.) noch halbwegs akzeptabel sein, aber beim Thema Klimawandel werden aufgrund des geringen Zeitfensters sowohl unsere sozioökonomische Entwicklung, als auch unsere westlichen Demokratien am Grad unserer Reaktions- und Handlungsfähigkeit gemessen.

Schließlich ist die sonst so nüchterne Wissenschaft zu Recht in Aufruhr. Es ist längst erwiesen, dass der Mensch die größte Ursache für den Klimawandel darstellt! Zudem ist die „Furcht“ der Wissenschaft vor bereits stattfindenden, aufeinanderfolgenden Tipping Points (Kipp-Elemente) berechtigt. In ihrer Gesamtheit werden sie aller Voraussicht nach zu einer fatalen Kausalkette der gesteigerten Erderwärmung führen. Hier sind sie gut nachzulesen: Link.

Die Faktenlage ist ziemlich eindeutig

Schauen wir uns zum besseren Verständnis mal die Fakten bzw. Mechanismen – über die wir im Detail sprechen – an (Zahlen teils aus 2016, 2017 oder 2018):

In Deutschland werden pro Jahr 907 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (Treibhausgase) freigesetzt (Link). Weltweit sind es ca. 40 Mrd. Tonnen pro Jahr. China, Indien und die USA emittieren zusammen mit Abstand am meisten.

Von den deutschen Emissionen sind 88 % auf CO2 zurückzuführen, der Rest auf Methan oder andere, z. B. Lachgas. Letztere haben eine bis zu 28 fache Treibhauswirkung im Vergleich zu CO2 im Bezug auf 100 Jahre. Deshalb spricht man von CO2-Äquivalent. Wichtig zu wissen ist, dass CO2 im Vergleich zu anderen Treibhausgasen ohne Rückgewinnung zwischen 120 und mehreren 1000 Jahren in der Atmosphäre verbleibt.

Gemessen an den Gesamtemissionen 2017/2018 verantworten in Deutschland 37,8 % der Energie-, 20,7 % der Industrie-, 18,2 % der Verkehrssektor (davon wiederum 96 % der Autoverkehr), 10,2 % die Haushalte, 7,8 % die Landwirtschaft, 4,2 % der Handel und 1,2 % die Abfallwirtschaft.

Der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von US-Amerikanern liegt mit rund 15 Tonnen deutlich über dem Wert von Deutschen mit rund 9,6 Tonnen CO2-Äquivalent. Durchschnittlich entstehen im Jahr pro Kopf weltweit 4,8 Tonnen CO2-Emissionen (Link).

Damit steht Deutschland aktuell als eine der größten Volkswirtschaften an siebter Stelle aller Treibhausgas-Emittenten und hat seit Beginn der Industrialisierung fast fünf Prozent der Erderwärmung verursacht. Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, müsste Deutschland seine Emissionen jedes Jahr linear um 6 % reduzieren und bis 2036 Nullemissionen erreichen.

Schauen wir uns die Auswirkungen auf die Atmosphäre genauer an:

Ohne Atmosphäre würde die Durchschnittstemperatur auf der Erde bei -18 Grad liegen. Tatsächlich liegt sie aber bei 15 Grad Celsius und damit ca. 1 Grad über dem Referenzzeitraum von 1951- 1980. Dafür verantwortlich ist die Atmosphäre bzw. der Treibhauseffekt.

Zu Beginn der Erde ging die Konzentration an CO2 in der Atmosphäre von ca. 10 % infolge seiner Assimilation durch Lebewesen und der Ausfällung von Carbonaten zurück. Während dieser Transformation von der ersten bis zur sog. dritten Atmosphäre erreichte CO2 eine Konzentration von heute nur noch 0,04 % (408 ppmv, Schwankungsbreite vor der industriellen Revolution lag zwischen 200-270 ppmv). Zudem bilden Stickstoff mit 78 % und Sauerstoff mit 20,9 %, Argon mit 0,9 % plus diverse andere Edelgase unsere heutige Atmosphäre.

Global betrachtet hat die Menschheit also „nur“ 0,015 %-Punkte an der CO2-Schraube gedreht. Gemessen an der Gesamtmenge der Atmosphäre eigentlich nicht viel, doch die Hebelwirkung ist erheblich:

CO2 ist in vielfacher Hinsicht für die Vegetation nützlich. Insgesamt ist die Erde in den letzten 20 Jahren etwas grüner geworden, weil CO2 wie ein Dünger auf den Photosynthese-Prozess wirkt und weil sich die Vegetationsperiode in den gemäßigten Breiten verlängert hat, aber CO2 ist eben auch höchst problematisch: Bereits klitzekleine Mengen haben einen überaus großen Effekt. Als Treibhausgas beeinflusst CO2 durch den Treibhauseffekt das Klima der Erde und durch seine Löslichkeit in Wasser den pH-Wert der Ozeane wesentlich (siehe auch Korallenbleiche).

Auf die Erdoberfläche trifft bedingt durch die Atmosphäre ca. die Hälfte der Lichtstrahlung auf, wo sie absorbiert, umgewandelt und als Wärmestrahlung wieder in Richtung Weltall abgegeben wird. Wo die Atmosphäre eben noch wie ein Schutzschild auf die Lichtstrahlung reagiert hat, verhindern nun die in ihr aufgelösten Treibhausgase, dass die Wärmestrahlung der Erdoberfläche wieder komplett ins Weltall entweichen kann. Stattdessen wird sie in Teilen erneut zur Erde zurückgeschickt.

Dieser Effekt wird durch die chemische Struktur der Treibhausgase verursacht. Im Falle von CO2 setzen sich die Gasmoleküle aus einem Kohlenstoff- und zwei Sauerstoffatomen zusammen. Diese Molekülstruktur ist empfänglich, um durch Wärmestrahlung in Bewegung versetzt zu werden. Die Bewegungsenergie wird in verschiedene Richtungen weitergegeben, was bedeutet, dass Wärme, insbesondere wieder zur Erdoberfläche weitergeleitet wird.

Da den größten Effekt zum Treibhaus Wasserdampf übernimmt und sein Anteil in der Atmosphäre wesentlich von der Temperatur abhängt, führt mehr CO2 wiederum zu steigenden Temperaturen, was zu mehr Wasserdampf und verstärktem Treibhauseffekt führt. Ein Teufelskreis.

Und da kommen wir zum eigentlichen Problem: Wir emittieren viel zu viel über Jahrmillionen gebundenes CO2 in einer extrem kurzen Zeitperiode (120 Jahre). Die Vegetation kann weder die CO2-Menge binden, noch die heftigen Klimaveränderungen in der Kürze der Zeit verkraften. Zudem bauen wir keine relevant CO2-bindende Biomasse auf, sondern ab (0,3 Mio. km² pro Jahr, also 1/120 des Gesamtbestandes) und setzen damit zusätzlich CO2 frei (Brandrohdung, etc.). Waldbrände tragen ebenso dazu bei.

Sind Bäume die Lösung?

Dabei sind Bäume durch ihre Photosynthese selbstverständlich ein Teil der Lösung. Ein ausgewachsener Baum bindet pro Jahr ca. 5 bis 6 Tonnen CO2. Junge ausgewachsene Bäume mehr als alte und Nadelbäume ganzjährig mehr als Laubbäume. Sie kühlen durch biogeophysikalische Effekte (Interzeption, Transpiration und Bodenevaporation) obendrein die lokale Lufttemperatur ab, mitunter um mehrere Grad. Auch Temperaturextreme werden abgemildert und in dichten Wäldern hält sich mehr Grundwasser, da das Eindringen von Wasser in die Böden erleichtert wird. Über ihre Blätter verdunsten Bäume täglich bis zu 500 Liter Wasser.

Eine weltweite Aufforstung wird alleine jedoch nicht ausreichen, ohne CO2 im großen Stil technologisch wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Zwar könnten auf 900 Millionen Hektar (idealerweise Brachflächen) ca. 500 Milliarden Bäume gepflanzt werden, um bis zu 205 Mrd. Tonnen CO2 in ihren Zellen zu speichern, doch die maximal mögliche Aufforstung bindet nur zwei bis vier Mrd. Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Eine weitere Herausforderung: Das Wachstum der Menschheit bindet ungehemmt weitere Anbauflächen für Nahrung.

Das ungehemmte Wachstum nimmt jedoch mit zunehmendem Wohlstand ab. Statistisch betrachtet wird das Bevölkerungswachstum in Asien ab ca. 3,5 Mrd. Menschen und in Afrika ab ca. 2,2 Mrd. Menschen stagnieren (Buch-Empfehlung: factfulness von Hans Rosling). Allerdings bleibt uns ggf. nicht mehr genug Zeit, um unternehmerisch überall hin Wohlstand zu transportieren. Zudem müsste dies auf Basis von Null-Emissions-Technologien und -Investitionsgütern basieren.

Leider liegt das größte Potenzial obendrein in Staaten (Rußland, China, USA, Brasilien, Venezuela usw.), welche die Klimakrise derzeit „noch“ negieren (Link). Hinzu kommt, dass Aufforstungsprogramme statt Monokulturen gezielt die Biodiversität berücksichtigen müssen, um den lokalen Wasserhaushalt nicht zu gefährden. Das ist komplex.

Wenn die Maßnahmen jedoch nicht schnell etabliert werden, wird der fortschreitende Klimawandel die zur Aufforstung geeigneten Flächen weiter verringern.

Man muss das Ganze nicht aus den Augen der Wissenschaft betrachten, um die unheilvollen Interdependenzen zu erkennen.

Warum sind Kippelemente so gravierend?

Erste Anzeichen für drohende Tipping-Points sind der Abbruch des Jetstream über der Nordhalbkugel in 2018, das derzeitige Baumsterben (zu wenig Wasser durch Bodenfeuchte in 180 cm statt üblichen 40 cm Tiefe; verhindert Harzproduktion, steigert Anfälligkeit ggü. Schädlingen usw.), starke Brände in Arktisregionen mit Auflösung der Permafrostböden und die globale Hitzewelle über die gesamte Erdkugel in 2019.

Diese fatale Kombination hat es seit Beginn der Aufzeichnungen und innerhalb der letzten 2000 Jahre nachweislich noch nicht gegeben. Kalt- und Warmzeiten in den zurückliegenden Jahrtausenden haben sich bis dato nur regional auf dem Planeten ausgewirkt. Der menschengemachte Klimawandel erfasst hingegen gleichmäßig die gesamte Welt. Das ist eine neue Dimension, denn es wird sicht- und fühlbar, dass extreme Wetterphänomene eine Ausprägung der Klimakrise (Erhitzung der Erde) sind. Das Abschmelzen der kühlenden und reflektierenden Pole, des Grönlandeisschildes und der Gletscher usw. tun ihr übriges.

Mit anderen Worten: nach dem relativ linearen Zuwachs durch anthropogene Verbrennung, laufen wir nun durch die Kippelemente Gefahr, dass der Zuwachs an Treibhausgasen stark ansteigend verläuft.

Das muss zwingend aufgehalten werden, da vermutlich noch nicht einmal die bereits vorhandenen Mengen in der Atmosphäre ihr volles Gefährdungspotenzial entfaltet haben.

Neueren Studien durch verbesserte Daten, optimierte Sensorik und Analyse- bzw. Prognose-Algorithmen zufolge vollzieht sich die gegenwärtig zu beobachtende Erwärmung bereits heute dramatisch schneller als alle bekannten Erwärmungsphasen der letzten 66 Millionen Jahre.

Folge der Hitzeentwicklung auf das Individuum und auf die Menschheit

Das hat nichts mehr mit Klimahysterie zu tun. Viele von uns werden die Veränderungen bezogen auf unseren Lebensalltag in den kommenden Jahren wohl ganz konkret zu spüren bekommen:

Derzeit halten Klimaforscher drei Grad Erwärmung für realistisch bis 2050 – es sei denn, die Industriestaaten dekarbonisieren im Revolutionstempo oder es werden Methoden gefunden, dass viele CO2 wieder zügig aus der Atmosphäre zu entfernen (drawdown). Doch wie realistisch ist das?

Wenn die Erderwärmung über die Drei-Grad-Marke steigt, können sich Pflanzen, Tiere und der Mensch nicht mehr anpassen: Das komplette biologische System ist überfordert. Der Mensch benötigt dauerhaft trotz Anpassungsfähigkeiten an Extreme z. B. stabile Temperaturen zwischen 17 und 25 Grad Celsius bei gemäßigter Luftfeuchte. Schon bei 35 Grad im Schatten und einer erhöhten Luftfeuchtigkeit über 60 Prozent kann die Wärmebelastung für den Menschen “extrem” werden und die Sterblichkeit (Hitzeschlag) deutlich zunehmen. Steigt die Kernkörpertemperatur des Menschen über 42 Grad mangels Verdunstungskälte des Schwitzens als Folge hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit, erleiden wir den Hitzetod (Link). Allein in Berlin waren es 2018 bereits 500 Menschen.

Mangels Anpassung ergeht es der Tierwelt noch schlimmer. Ein weltweites Artensterben ist die Folge – vor allem in Feuchtgebieten, Wäldern und im Meer.

Rund 2-3 Milliarden Menschen sind von steigender Wasserknappheit bedroht, etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung durch Überschwemmungen gefährdet. Der Nahrungsmittelan- und -abbau wird durch Dürre und mangels Nutzflächen dramatisch reduziert. Hungersnöte stehen an der Tagesordnung. Lebensmittel reichen nicht mehr aus für die gesamte Menschheit und die Preise explodieren. Von einer massiven Völkerwanderung in zeitweise gemäßigtere Zonen ist auszugehen.

Ab 4-5 Grad wird die Erderwärmung nicht mehr linear, sondern nahezu exponentiell zunehmen und die Umwelt für menschliches Leben irreversibel beschädigt.

Haben wir eine Verantwortung als Spezies zu überleben?

Es zeichnet sich somit ein düsteres Szenario ab, welches einer Dystopie gleicht. Handeln wir nicht, benötigen wir weder einen Asteroiden noch einen Megavulkan, einen Retrovirus, die vielzitierte Singularität oder eine Superintelligenz, um uns vorzeitig den Gar aus zu machen.

Das wäre zutiefst bedauerlich, denn die Wahrscheinlichkeit, dass wir wohl doch alleine im Universum sein könnten und als intelligente Spezies eine Art „Verantwortung zum Überleben“ tragen, scheint signifikant zu steigen: Neuere Lösungs-Modelle des Fermi-Paradoxons zeigen, wie unwahrscheinlich intelligentes Leben in unserer heutigen Form ist. Die Hürden und die statistischen Zufälle sind immens. Zum Beispiel ist die Umwelt der meisten Planeten in der habitablen Zone um ihr Zentralgestirn herum in der Entstehungsphase so instabil, dass – selbst wenn es sie gäbe – frühe Lebensformen einfach nicht Schritt halten können, um zuerst die Treibhausgase wie Wasser und Kohlendioxid zu regulieren und dadurch die Oberflächen-Temperaturen im korrekten Maße zu stabilisieren. Zudem zerstören Gammaausbrüche naher Gestirne in 90 % aller Fälle die Atmosphäre und / oder die Lebewesen.

Wir haben also ausgesprochen viel Glück gehabt mit unserer Randposition in der Milchstraße, mit unserer langlebigen kleinen gelben Sonne, mit dem Metallkern im Inneren und dessen Elektromagnetfeld, der passenden Größe und Dichte unseres Trabanten, der ans komplexe Leben ausgerichteten Atmosphäre inkl. Ozonschicht, unserem Mond zur Stabilisierung der Erdachse und der optimalen Verteilung von Rohstoffen, Wasser und Vegetation, um die kritischen Phasen unserer Evolution zu überleben.

Ist das alles passiert, um sich sinnlos selbst auszulöschen? So einfach sollten wir es dem Schicksal nicht machen.

Wir werden unsere Individualansprüche zugunsten der Spezies wohl kollektiv einschränken müssen, wollen wir das Leben auch in Zukunft als Individuum noch genießen.

Heutige Technologien fördern und gezielt einsetzen

Die Faktenlage ist aus unserer Sicht eindeutig. Wir verfügen bereits heute über erste notwendige Brücken-Technologien, um radikal gegenzusteuern.

So zum Beispiel mit Photovoltaik (Link). Hier spielen für die CO2-Bilanz der eingesetzte Strommix zur Produktion, der Fertigungsstandort und die Art der Module eine wichtige Rolle. In Europa ist der ökologische Fußabdruck deutlich niedriger als z. B. in China, wo für die Verstromung noch recht viel Kohle eingesetzt wird für die Produktion. Darüber hinaus ist der Installationsort und die Effizienz des Moduls wichtig. Je höher die Kraft der Sonne, desto geringer sind die CO2-Emissionen pro erzeugte Kilowattstunde. Eindeutig ist jedoch, dass Solaranlagen im Laufe ihrer Lebenszeit erheblich mehr CO2-Emissionen verhindern als ihre Fertigung selbst im schlechtesten Fall verursacht. In Deutschland dauert die Amortisation eingesetzten CO2 circa 3 Jahre, in Spanien zum Beispiel nur 0,75 Jahre. Das sind herausragende Werte bei einer Lebenszeit von mindestens 30 Jahren. Zudem kann die Zeitspanne bei heutigen Modulen noch weiter reduziert werden durch Verbesserung der Fertigungsverfahren (Silizium-Wafer). Windenergie-Anlagen schaffen meist eine noch bessere Bilanz als Photovoltaik und kommen häufig aus deutscher Produktion.

Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten, korrekt zu handeln.
Statt aus dunklen Ziegeln brauchen wir verpflichtend begrünte oder weiße Dächer plus Photovoltaik, Solarthermie. Im Haus wäre zuallererst eine deutliche Überdeckung mit Photovoltaik nötig, dann Dämmung inkl. Wärmepumpe und Speicher Pflicht. Es müsste aktiv auf dezentrale Stromerzeugung gesetzt werden (cloudgesteuerte Stromverteilung im Schwarm). Statt aus Zement müssen wir unsere Häuser lieber wieder vermehrt aus CO2-bindendem Holz bauen und zeitgleich aufforsten. Statt aus Plastik müssen wir Kunst, wiederverwendbares Geschirr usw. aus z. B. schnell nachwachsendem Bambus oder Reishülsen (Link) nutzen. Statt auf Öl, Kohle und Gas zu setzen, müssen wir auf Wind-, Wasser-, Gezeitenkraft, Wasserstoff und Solarthermie setzen. Alles gleichzeitig und nicht nur bei uns, sondern auch in Südeuropa und Nordafrika im ganz großen Stil. 

Warum der Wandel so schwer gelingt…

Grundsätzlich müssen wir uns heute schon die Frage gefallen lassen, wie wir so dumm sein können, unser Wirtschaftssystem trotz besseren Wissens auf umweltzerstörenden Technologien weiterhin aufzusetzen. Den Menschen im 20. Jahrhundert ist kaum ein Vorwurf zu machen. Sie wussten es bis Ende der 1980er / 1990er Jahre wohl nicht besser. Aber seit den 2000er Jahren müssten wir längst radikal umdenken. Doch wir verharren auf Kosten des Nachwuchses noch immer zu sehr im Komfort.

Betrachten wir als Beispiel mal den individuellen Verkehrssektor:
Hier betreiben wir hohen Aufwand beim Auffinden von Öl, bohren die Erdkruste an Land und im Wasser auf, pumpen aufgrund zunehmend komplexer Lagerstätten Chemikalien in den Boden (z. B. beim Fracking), transportieren Öl mit schwerölverbrennenden Schiffen zu den Häfen, fahren dieses per LKW in die Raffinerien, produzieren unter Einsatz von Strom (ca. 1 kWh Drittstrom plus 1 kWh an thermischer Eigenproduktion durch Erdöl) Kraftstoffe, liefern diesen an die Tankstellen, fahren dort mit unseren Autos hin zwecks tanken und verbrennen es letztlich in unsere Atemluft, wo es u. a. auch noch Krankheiten wie Krebs befördert.

Bei einem Verbrauch von 5 Litern Diesel pro 100 km verbraucht ein Verbrenner also grob 10 kWh “Produktionsenergie” alleine für die Herstellung des Kraftstoffs über die gesamte Lieferkette. Davon lässt sich alleine schon ein kleines Elektroauto 100 km weit fahren.

Nutzen Einfamilienhaus-Eigentümer im Wesentlichen die eigene Photovoltaik-Anlage zum Aufladen, was bei durchschnittlich 39 Kilometer Fahrstrecke pro Tag / Bürger, 15 bis 20 kWh Verbrauch auf 100 Kilometer beim Viersitzer und 16 Ampere Hausanschluss problemlos machbar ist,  und / oder einen hohen Anteil an Ökostrom im Strommix für den Betrieb des Elektroautos, sieht die Bilanz noch besser aus.

Wie dem auch sei, klar ist natürlich, dass der eigene PKW ebenso wie das Flugzeug bei langen Strecken umweltschädlich sind. Da ändert auch die heutige eMobilität noch nicht viel daran. Die FAZ vergleicht alle Mobilitätslösungen hier recht anschaulich: Link.

Für uns ist die batteriebetriebene Elektromobilität eine klassische Brückentechnologie. Eine wirkliche Lösung des Problems ist sie heute noch nicht. Unterstützen wir sie jedoch nicht im Konsum, wird die Weiterentwicklung bis zum Feststoffakku länger dauern und auch andere Energieerzeuger wie Brennstoffzellen werden es schwerer haben. Wasserstoff ist die beste zukünftige Alternative, sobald wir die Herstellung industriell und klimaneutral in großen Skalen im Griff haben. Doch das dauert noch lange. Derzeit generieren wir Wasserstoff vor allem aus Erdgas und die Herstellung ist mangels Skaleneffekten und geeigneter Erzeugungstechnologien sehr teuer im Vergleich zu Erdgas und Erdöl.
Auch hier gilt: Unternehmen fehlen in der Folge die Anreize für Investitionen. Aus dem Grund werden wir an einer Besteuerung von CO2 und an einem vertieften Emissionshandel nicht vorbei kommen.

Umbruch als Chance für unseren Wohlstand

Da weltweit kein Mensch gerne in Smog etc. aufwächst und lebt (Krebsgefahren, Lungenkrankheiten usw.), liegt in der Transformation unserer Industrie hin zu emissionsfreien Produkten und verbrennungsfreien Investitionsgütern (PKW, LKW, Kraftwerke usw.) die Chance auf einen nachhaltigen Umbruch bei wirtschaftlichem Erfolg. Schließlich sind schon heute etliche smarte Energie-Technologien rein ökonomisch betrachtet konkurrenzfähig, es fehlt nur noch an der Skalierung.

Um dies zu schaffen, ist ein Umdenken in unseren Köpfen nötig. Niemand befiehlt uns, in alten Mustern zu verweilen und entsprechend zu produzieren und zu konsumieren. Wir können gestalten und beeinflussen. Nicht nur unsere Mitmenschen, die Wirtschaft, sondern auch als Exportnation vorleben, was richtig ist.

Veränderung schürt Ängste und den Wunsch nach Status Quo

Natürlich führt der Wandel zu verständlichen Ängsten vor der Zukunft. Jedoch darf Besitzstandswahrung nicht mehr länger unser Leitmotiv sein. Ändern wir nicht unser Verhalten, werden auch in Zukunft zu viele Menschen – oft ökonomisch Abhängige – versuchen, reflexartig den Status Quo zu erhalten und in der Folge den notwendigen Klimaschutz weiter ausbremsen. Seien es Angst, Ignoranz, die Verschleierung von Verantwortung oder die Überzeichnung von Gefahren der nötigen Energiewende.

Skeptiker sind dabei das größte Problem, denn sie schüren obendrein die Ängste und missbrauchen wissenschaftliche Erkenntnisse mit gezielten Desinformationen.

Ein User im Zeit-Forum bringt es dabei auf den Punkt (Link):

„Erstens gilt die gegenseitige Kontrolle unter Wissenschaftlern selbstverständlich auch für die Klimaforschung. Was sie nicht dulden sind pseudowissenschaftliche Behauptungen, wie sie von i.d.R. fachfremden Klimawandel-Skeptikern in die Welt gesetzt werden, um meist aus wirtschaftlichen Eigeninteressen eine ganze Fachwelt zu diskreditieren.

Zweitens basieren zwar die Prognosen auf Rechenmodellen – aber die Daten dazu wurden empirisch erhoben: Dass wir bereits einen nachweisbaren Klimawandel verzeichnen, ist durch systematische Messungen nachgewiesen.“

Ähnliches erleben wir seit langem im Themenfeld Digitale Bildung. Hier greifen dieselben Automatismen und Abwehrhaltungen. Die Menschen reagieren mit Zunahme der Faktenlage mit überbordender Ablehnung.

Hier ein passendes Zitat aus einem passenden Artikel der Zeit (Link):

„Momentan ist da eine Naturwissenschaft, die Erkenntnisse liefert, welche von einer kritischen Masse der Weltbevölkerung und Staatschefs nicht entscheidend anerkannt werden.“ 

Stellen sich unsere westlichen Demokratien nicht entschieden gegen die Skeptiker und die eigentliche Klimakrise, so bleibt nur zu konstatieren, dass Demokratien, die unter allen Umständen an Ambivalenz festhalten, sich und uns im Gegensatz zu totalitären Systemen, die oft radikal und schnell entscheiden, als Spezies aufs Spiel setzen.

Entsprechend benötigt es jetzt eine Vielzahl an Politikern, die unabhängig von ihrer persönlichen Weiterentwicklung, auf Technokraten hören und das richtige Handeln über den Median-Wähler stellen.

Viel Zeit bleibt uns – wie geschildert – jedoch nicht mehr. Die schmerzhafte Phase des Klimawandels hat begonnen und niemand kann mehr sagen, er registriere dies im eigenen Lebensalltag nicht…

Zugunsten unserer Kinder und Kindeskinder müssen wir als Zivilgesellschaft auch damit beginnen, unser Investitions- (Divestment aus fossilen Energieträgern) und Konsumverhalten (Art und Menge der Nahrung (vegane Ernährung, Bioprodukte wegen Dünger), der Mobilität, Shareconomy, keine Verschwendung, kein Kamin, regional kaufen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen, eigener Strom oder Ökostrom, Ökobank mit Gehaltskonto, LED-Lampen, Smart Home, schonend waschen, Recycling betreiben, usw.) deutlich zu verändern.

Auch auf der Arbeit ist viel Veränderung möglich: Arbeitsplätze auf LEDs umrüsten, Telekommunikation nutzen statt Dienstreisen, klimaneutraler Versand, Geräte vom Standby nehmen, Solaranlagen auf Hallen installieren usw.

Fördern sollten wir Technologien, wie drawdown, alternative Stromerzeugung (Solar, Wasser, Geothermie, Wind, Fusion), Energiespeicher, Entsalzungstechnologie, Aquaponik, KI, Robotik, Geo-Engineering, Elektromobilität, Sharing-Modelle, Inhouse / Vertical Farming & Farmscraper (Link), klimagerechte Architektur (Schattendächer, Windschneisen, transparente Solarzellen), Biogenetik und Recycling, um nur ein paar wenige Beispiele zu benennen.

Trotz der hohen emotionalen Last ist aus unserer Sicht kein Platz für Fatalismus und Defätismus. Optimismus ist gefragt. Bildung ist dabei einer der wesentlichen Schlüssel zur Problemlösung.