In Management-Etagen geht seit Jahren die Angst vor disruptiven Geschäftsmodellen um. Zu schnell und zu gewaltig sind die Umwälzungen der vergangenen Jahre und der Paradigmenwechsel macht vor kaum einer Branche halt. Zu wenig technisches Verständnis trifft auf ein geringes Maß an Kreativität und Mut zur Veränderung. Aber stimmt das?
Der Digitale Wandel verlangt Unternehmen viel ab
Weder sah die Hotelbranche Airbnb, noch das Taxigewerbe Uber kommen, welche als kleine Teams mit einer gut inszenierten Homepage und einer weit verbreiteten App ihr über Jahrzehnte funktionierendes Geschäftsmodell im Handstreich gefährden, ohne Infrastruktur. Zurück bleibt ein Gefühl der Ohnmacht.
Dabei hat das Ganze Methode: Rund um die Welt werden Teams aus Spezialisten der Internetökonomie und Branchenkennern mit Machermentalität verschmolzen und überlegen als Thinktanks, wie sie – oft mit der Bereitschaft, Umsatzrenditen drastisch zu kappen – die Old Economy mit technischen und enormen monetären Mitteln, einer begeisterten Community und einem guten Geschäftsmodell systematisch aus den Angeln heben können.
Und was tun wir? Wir hadern, meiden Risiken und damit auch die Chancen…
Digitale Bildung, New Work und Industrie 4.0 bedingen einander
Dabei liegt die Zukunft unseres ökonomischen Schaffens nicht nur in den Köpfen einiger Querdenker und Idealisten. Moderne Arbeitsformen, Schlüssel zur permanenten Innovationskraft und moderne Unternehmensführung sind real und werden in der Praxis bereits lange durch außergewöhnlich erfolgreiche Pioniere eingesetzt. Dabei sitzen mit Nichten alle diese Unternehmen im Silicon Valley….
Gemeint sind nicht etwa Google und Co., sondern Firmen wie Southwest Airline, Toyota, Porsche und Semco. Diese Firmen handeln seit Jahrzehnten durch clevere Praktiken, oft dezentral. Sie ziehen Rückschlüsse aus Erkenntnissen und folgen Prinzipien, z. B. Kaizen.
New Work ist also nicht neu, aber in aller Munde, denn bei intensiver Beschäftigung mit dem Thema fühlen sich Manager schnell „inspiriert“. Der Effekt hält allerdings nicht sehr lange an und was folgt, ist häufig eine Abwehrhaltung.
Wo liegt hierbei das Problem? Warum folgen wir den Grundsätzen ordnungsgemäßen Handelns, also der Schaffung dynamischer Organisationsstrukturen und der Entwicklung unkonventioneller Geschäftsmodelle trotz vieler Positivbeispiele, wie Netflix, Nvidia, MorningStar oder Valve, nicht?
Sollten wir uns vor dem Kontext des digitalen Paradigmenwechsels diese Mechanismen nicht erst recht und so schnell wie möglich zu Eigen machen?
Die Probleme des Managements
Managern fehlt es an Mut zur Veränderung. Aber woran liegt das?
Zum einen mangelt es oft an der Vorstellungskraft, feste Strukturen samt ihrer Kollegen könnten aufgebrochen und Verhaltensmuster sich „transformieren“ lassen. Reflexartige Schutzbehauptungen, wie „Mein Team wäre dazu nicht in der Lage“, und etablierte Komfortzonen führen deshalb dazu, dass wir das Prinzip „New Work“ nicht wirklich aktiv adaptieren.
Zum anderen werden Manager anders als Unternehmer und Gründer nicht durch Erfolge eingegangener Risiken entlohnt, sondern auf Basis der durch Gesellschafter oder Aktionäre determinierten unternehmerischen Kennzahlen. Letzteres induziert risikoaverses Verhalten durch die Verpflichtung zur Maximierung der Umsatzrendite, selbst wenn das Management Marktlücken erfolgreich erkennt und nutzen möchte. Es scheitert dann an den eigenen Strukturen und dem “Richtlinienpanzer”. Auf diese Weise verhindern wir Innovationen, da monetäre Mittel für Forschung & Entwicklung, Gründung von Spin-Offs in Firmen- bzw. Konzernstrukturen oder Aufbau von Startups, welche keineswegs der üblichen Rendite-Erwartung nach Plan entsprechen, nicht oder nicht lange genug zur Verfügung gestellt werden.
Hinzu kommen flankierende Problemen und Mängel, wie
- das Fehlen einer holistischen Digitalstrategie mit Leuchtturmprojekten für das gesamte Unternehmen,
- ein zu geringer intelligenter Automatisierungsgrad hinterlegter Prozesse,
- der gewinnbringende Nutzen vorhandener Datenschätze (Data-Mining),
- der Inklusion und Sensibilisierung vorhandener Firmen- oder Konzernstrukturen,
- dem Willen zur Kooperation mit anderen digital-affinen Firmen auf Augenhöhe,
- das Fehlen agiler Managementmethoden, qualifizierter Ausbilder und einer guten Arbeitsplatz-Ausstattung,
- dem Aufbau von Communities und Einbindung der Mitarbeiter als Multiplikatoren,
- zu wenig Rückhalt für Enabler im eigenen Unternehmen und
- schlichten externen Effekten wie Fachkräftemangel, Konjunkturschwankungen oder einfach nur Glück.
Am schlimmsten aber ist der Mangel an Freiräumen, Fehlerkultur oder Eigenverantwortung für Mitarbeiter, insbesondere Digital Natives und die Positionierung der richtigen Mitarbeiter auf der richtigen Stelle.
Die langfristigen Folgen für die Unternehmen sind fatal, denn hier liegt auch eine der Ursachen, weshalb sich Unternehmen so schwer mit den Herausforderungen der Digitalen Transformation tun.
Eigene Talente fördern und Macht zusprechen
Vielfach besteht Unkenntnis im Management darüber, über welche Talente und Innovationskraft ihre Mitarbeiter verfügen. Der eigentlichen Rolle des Managements, nämlich das intelligente Reagieren auf Veränderungen und die Kunst, passende Talente zu identifizieren, zu fördern, zu fordern und an der richtigen Stelle einzusetzen, geht im Alltagsgeschäft unter.
Talente aber warten nicht, sie sind wie Nomaden, sie ziehen, wenn es spannendere Optionen gibt. Der Arbeitskultur, flachen Hierarchien, Verantwortung und Entfaltungsmöglichkeiten kommen aus dem Grund hohe Bedeutungen zu, denn sie motivieren und binden. Ein Mitarbeiter braucht die Aussicht, Sinn und Wert zu stiften und eine relevante Rolle einzunehmen, Incentives alleine reichen nicht (mehr).
Fehlt es dem Management dann auch noch an dem Verständnis für neue Technologien und deren Wirkungsmechanismen auf unternehmensweite Prozesse, viel wichtiger noch auf das eigene Geschäftsmodell und Produktportfolio, wird es kritisch. Denn analog dazu besteht häufig ein Mangel an Unternehmergeist bzw. Risikobereitschaft, potenziell durchschlagende Geschäftsmodelle überhaupt erst einmal zu erproben.
Die Verlustängste täuschen darüber hinweg, sich selbst neu erfinden zu müssen, so dass Unternehmen disruptiven Ansätzen schonungslos ausgeliefert werden.
Die wichtige Aufgabe vom CDO
An dieser Stelle ist der CDO von hoher Bedeutung. Er muss die oben genannten Punkte zu einer ganzheitlichen Strategie zusammenführen und die Mitarbeiter für neue Themen begeistern. Dabei unterscheidet sich seine Aufgabe ganz fundamental von der des CIOs. Die Aufgabe des CIOs ist die Optimierung automatisierter Prozesse (Workflows) der Value Chain und der IT selbst. Demgegenüber wird der CDO vielfach mit der Funktion des Treibers neuer Geschäftsmodelle, innovativer Produkte und eines Umbruchs in der Unternehmenskultur – Schlagwort ‚agiles Arbeiten‘ – gleichgesetzt. Hierfür benötigt er eine IT, welche sich im Vergleich zu früher als Enabler versteht und Software-Artefakte als zentrale Produkte entwickelt, denen die Fachbereiche zuarbeiten. Und nicht mehr umgekehrt.
Dies erfordert jedoch eine Vielzahl von Kompetenzen, wie Strategie-, Kommunikations-, Vermittlungs-, Entwicklungs- und Organisationsgeschick.
Fazit
Die digitale Welt ist dynamisch und stark fragmentiert. Es zeichnet sich jedoch ab, dass durch die Monopoltendenzen des Internets die Zukunft durch plattformbetreibende I(o)T-Unternehmen bestimmt wird. Jede Branche wird in Zukunft mit überlegenden Digitalstrategien um Aufmerksamkeit mit innovativen Produkten und flankierendem Content kämpfen müssen. Unternehmen müssen sich inhouse wappnen (Digitale Bildung, Kultur, Arbeitsplatz 2.0, Incentives) und ihre Betätigungsfelder zwangsläufig vielfältig gestalten (Diversifikation). Die Hoffnung ist, dass die Aggregation vieler kleiner Fäden zu einem ganzheitlichen Lösungsansatz führt.
Die Koordination erfordert das Ausprägen einer präzisen CDO-Führungsrolle inklusive Budgetverantwortung, um handlungsfähig zu sein.